Eigentlich kann man auch sagen, es ist laut.

Liebe Lara, lieber Marshall. Ihr seid jetzt beide im letzten Jahr des Studiums, das heisst, ihr habt vor ziemlich genau drei Jahren euer Bewerbungsdossier für den Bachelor in Literarischem Schreiben zusammengestellt. Erinnert ihr euch noch an das Eignungsgespräch?
Marshall: Ich weiss noch, dass ich viel zu früh in Biel war. Ich habe einen Spaziergang an den See gemacht, dann bin ich ans Institut gegangen und war immer noch zu früh und sass eine Weile im Park. Ich war total nervös. Aber beim Gespräch waren alle sehr freundlich, das hat geholfen. Danach dachte ich, dass es nicht geklappt hat, weil wir gar nicht so viel über die Texte geredet haben, sondern über meinen Urlaub, meine Wohnver­hältnisse und solche Sachen.
Lara: Das war bei mir auch so.
Marshall: Und ob ich von Hand schreibe, das war auch eine Frage. Ich dachte jedenfalls, wenn sie die Texte gut fänden, würden sie das sagen. Und weil das ausge­blieben ist, habe ich angenommen, dass sie mein Dossier nicht mochten.
Lara: Ich bin mit meiner Mutter und einer Freundin mit dem Auto aus Deutschland gekommen. Den Abend vor dem Gespräch haben wir in Bern verbracht und ich hatte vor lauter Nervosität so schlimme Magen­schmerzen, dass ich ins Bett musste und meine Mutter alle möglichen Medikamente kaufen gegangen ist. Am nächsten Tag, in Biel, bin ich aus dem Auto gestiegen und habe meine Mutter gefragt, ob sie glaubt, dass es das Litera­tur­in­stitut wirklich gibt. Sie war sich plötzlich auch nicht mehr sicher… Das Gespräch selbst war dann gut. Die Jury mochte meine Texte und hat das auch gezeigt. Ein Kommis­si­ons­mitglied hat mich, nachdem es im Gespräch bis dahin wenig gesagt hatte, gefragt, was ich arbeite. Damals war ich in einem Call-Center. Seine Antwort war dann, dass es am Institut bestimmt nicht schlimmer werden wird.

Habt ihr das Textdossier mit anderen besprochen, bevor ihr es abgeschickt habt? Habt ihr die Texte extra für die Bewerbung geschrieben?
Marshall: Ich erinnere mich nicht mehr genau. Ich glaube, ich habe es meinen Eltern mal gezeigt, mehr nicht. In meinem Dossier waren nur Texte, die ich schon hatte.
Lara: Eine Erzählung habe ich für die Bewerbung geschrieben, alles andere gab es schon. Ich habe manchmal mit Freunden über Texte geredet, aber eher, weil der Wunsch von ihnen kam. Von mir aus wollte ich das eigentlich nicht, weil man über die Texte, die ich früher geschrieben habe, gar nicht so richtig sprechen konnte.

Wie war es, als das Studium angefangen hat? Könnt ihr euch noch an den ersten Tag im Schreibatelier erinnern?
Marshall: Ich hatte panische Angst, weil ich noch nie vor so vielen Leuten einen Text von mir vorgelesen habe. Mir wurde derartig heiss beim Lesen, dass sich meine Brille beschlagen hat. Hinterher war ich erleichtert, weil die anderen gesagt haben, dass sie den Text schön finden.
Lara: Ich war vorher sehr nervös. Aber als ich dann im Atelier sass, hatte ich das Gefühl, dass gerade etwas passierte, auf das ich sehr lange gewartet hatte. Das war ein wahnsinnig befrie­di­gendes Gefühl – in einem Raum zu sein, wo es um etwas geht, was mir wahnsinnig wichtig ist und das auch allen anderen wahnsinnig wichtig ist. Und auch: Menschen kennen­lernen durch ihre Texte. 

Wenn ihr die Erinnerung betrachtet, die ihr von euch habt bei Studienbeginn, könnt ihr dann sagen, wie sich euer Schreiben in diesen drei Jahren verändert hat?
Marshall: Ich bin ein bisschen sicherer geworden. Ich weiss mehr, was mir selbst an meinen Texten gefällt und was nicht. Ob ich das dann umsetzen kann, ist natürlich noch etwas anderes. Ich bin weniger kitschig geworden. Bevor ich ans Institut gekommen bin, habe ich nur über Frauen geschrieben. Früher hatte ich auch das Gefühl, Floskeln gehören zur Literatur. Dass man zum Beispiel Sachen sagen muss wie: Lärm erfüllt die Nacht. Aber eigentlich kann man auch sagen: Es ist laut.
Lara: Als Leserin war ich sehr verschlossen in dem, was ich mochte und gut fand, das hat sich sehr verändert. Als Schreibende ist es so, dass ich vorher überhaupt nicht nachgedacht habe über das, was ich da mache. Jetzt habe ich Ansprüche an den Text, ein Gefühl dafür, was er tun muss, damit ich ihn gut finde. Ich glaube, dass man beim Schreiben alle Energie und allen Fokus einsetzen sollte, den man aufbringen kann. Das Schreiben ist mir viel wichtiger geworden, ich mache es ernst­hafter und konzen­trierter. Ich überlege mir jetzt, wer wo im Raum steht, wer wie fühlt, warum wann was sagt. Es ist nicht mehr die Sprache, der man folgt, sondern dem, was passiert. So wird ermöglicht, dass die Dinge im Text ein Eigenleben entwickeln, das unabhängig von mir selber ist.

Möchtet ihr denjenigen, die im Moment ihr Bewerbungsdossier zusammenstellen, etwas mit auf den Weg geben?
Lara: Ich krieg das selber auch nicht hin, aber: Sich bei Texten allen Stress machen, den man sich machen kann, und mit sich selber gar keinen Stress. Das ist eigentlich der ideale Zustand.

(Illus­tration: Lara)