Claire Genoux über Schreibateliers

Liebe Claire, du leitest, das hat Tradition, das frankophone Schnupperatelier am Infotag vom 26. Oktober. Das offene Atelier ist für viele die erste Textbesprechung überhaupt. Was entgegnest du dem eventuell fehlenden Mut, einen Text im Atelier zur Diskussion zu stellen?
Sich diesem ersten Mal zu stellen, ist unabdingbar, wenn man vorhat, AutorIn zu werden. Natürlich ist es ein Risiko, das man eingeht, allein schon auf einer persön­lichen Ebene, weil man zum Leser, zur Leserin des eigenen Textes wird. Aber Schreiben ist in jedem Fall ein Risiko, Seite für Seite.

 Kannst du dich noch an das erste Mal erinnern, als ein Text von dir gelesen und kommentiert wurde?
Ja, das war als Schülerin, am Gymnasium de la Cité. Mein Franzö­sisch­lehrer, der Schrift­steller Jacques Chessex, war der erste, der meine Texte gelesen und kommentiert hat. Ich erinnere mich an sein forderndes Wohlwollen (er wusste, dass meine Texte noch im Entstehen begriffen waren).

Wie gehst du vor, wenn du Texte besprichst? Worauf achtest du?
Ich achte sehr darauf, immer wohlwollend zu bleiben und nicht zu werten, auch wenn ich manchmal gebeten werde, ohne Rücksicht auf Verluste meine Meinung zu sagen. Ich glaube nicht, dass es produktiv ist, zu sagen, dass etwas schlecht ist (was ich noch nicht einmal machen würde, wenn ein Text viele Schwach­stellen hätte), ausserdem ist es anmassend. Ich achte mehr darauf, ob die Studie­renden einen Text überar­beiten oder nicht. Das ist für mich ein wichtiges Zeichen.

Machst du selbst auch Schreibübungen?
Manchmal stelle ich mir gewisse Aufgaben oder Regeln, wenn ich mit einem Text am Anfang stehe, das hilft beim Schreiben einer ersten Fassung. Aber ich mache keine Übungen, die losgelöst sind vom eigent­lichen Projekt, an dem ich arbeite.

An welche Grenzen kommst/gehst du beim Schreiben?
Das sind vor allem innere Grenzen. Das Schreiben ist ein guter Weg, um sich selbst kennen­zu­lernen, die hellen und dunklen Seiten, eine Art tiefer Dialog. Ich hinterfrage zum Beispiel oft mein Selbst­ver­trauen.

Glaubst du, dass man durchs Üben besser wird?
Aber sicher! Aber das Wort „üben“ finde ich allerdings nicht treffend, ich würde eher „machen“ verwenden: Man lernt schreiben beim Schreiben, so einfach ist das. Ich also lerne seit 20 Jahren, zu schreiben.

Kannst du ein Buch übers Schreiben empfehlen?
Als ich angefangen habe, Ateliers zu leiten, habe ich ein paar Ratgeber gelesen, um auf Ideen zu kommen … und um mich zu versichern, wie das, zumindest theoretisch, laufen sollte. Danach habe ich eigentlich beim Machen gelernt und im Austausch mit Kolle­gInnen.

Wenn man dir ein extrem gutes Angebot machen würde, ein Buch übers Schreiben zu schreiben, wie würde es aussehen?
Ich glaube, es wäre eine Art Sammlung meiner Erfah­rungen und der Situa­tionen, denen ich beim Leiten von Schreibateliers begegnet bin.

(Fragen und Übersetzung: R. Dürig. Um zur französischen Originalversion zu gelangen, die Sprachauswahl dieser Seite auf FR stellen.)