"Ich habe heute keine Zeit, ich schreibe."

Während 16 Studierende gerade den Bachelor in Literarischem Schreiben angefangen haben, haben 12 ihr letztes Studienjahr begonnen. Interview mit Manuel Steinmann, Student im dritten Jahr, der über seinen Weg am Schweizerischen Literaturinstitut, seine Pläne und Perspektiven spricht.

Manuel, du studierst seit 2016 am Literaturinstitut, dein drittes und letztes Jahr hat gerade angefangen; Kannst du sagen, inwiefern sich deine Schreibpraxis seit Beginn deines Studiums entwickelt oder verändert hat?

In meiner Agenda sind ganze Tage für Schreiben und Lesen reserviert. Soweit ich mich erinnere, war dies vor dem Studium am Literaturinstitut nicht so. Ich kann ohne schlechtes Gewissen sagen, ich habe heute keine Zeit, ich schreibe. 

 

Zusätzlich zur Bachelorthese müssen die Studierenden im 3. Jahr eine Reflexionsarbeit abgeben. Was ist das Thema respektive die Frage deiner Reflexionsarbeit? Gibt es einen Dialog zwischen der Reflexionsarbeit und der Bachelorthese? Oder sind es zwei ganz verschiedene Dinge?

Meiner Reflexionsarbeit liegt keine spezifische Fragestellung oder eine Hypothese zu Grunde. Es gibt Motive, die umkreist werden. Da ist einerseits die Linearität von Texten, es sind die Verbindungen und Vielheiten und natürlich die unterirdischen Sprossachsen von Pflanzen, andererseits ist die Arbeit auch ein Sammelsurium meiner Ängste. Die Bachelorthese ist noch nicht geschrieben. Es gibt einen Ausgangspunkt und es gibt Interessen und Absichten. Wenn ich zurzeit über meine Bachelorthese spreche, ist es ein Sprechen über Vorstellungen, über etwas, was sein könnte, über Wünsche. Ich bin mir jedoch sicher, da gibt es Berührungspunkte mit der Reflexionsarbeit. 

 

Die Bachelorthese umfasst – im Vergleich zu Texten im ersten und zweiten Studienjahr – oftmals ein umfangreicheres Projekt. Erfordert dies eine andere Organisation? Triffst du dich zum Beispiel häufiger oder seltener mit deiner Mentorin? Oder besuchst du weniger Ateliers, um intensiver an deiner Bachelorthese arbeiten zu können?

Die Treffen mit Birgit Kempker, meiner Mentorin, sind alle zwei Wochen angesetzt. Das war auch die vergangenen zwei Jahre so. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Blick von aussen auf meinen Text haben möchte, lassen wir ein Treffen ausfallen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Es kann sein, dass die Auseinandersetzung seit dem letzten Treffen mit dem Text nicht sehr vertieft war, dass eher wenig Zeit dafür aufgewendet wurde und ein Treffen keine Notwendigkeit hat. Es kann sein, das der Text in einem Stadium steckt, wo ich ein Blick von aussen nicht als förderlich empfinde, weil er beispielsweise verletzlich ist, weil der Text versucht, etwas zu erschliessen und dafür Zeit benötigt, dass sich die Dinge am Boden absetzen können und eine Aussenperspektive alles erneut aufwirbelt. 

 

Hast du schon eine Idee, was deine Bachelorthese sein wird? Welche literarische Gattung möchtest du erkunden? Handelt es sich um ein neues Schreibvorhaben oder um die Fortsetzung eines früheren Projekts?

Das ist exakt der Punkt an dem ich momentan stehe, Gedanken und Ideen für die Bachelorthese sammeln, festhalten und sortieren. 

 

Was ist die erste Frage, die sich stellt, wenn man eine Bachelorthese anfängt?

Von wo möchte ich aufbrechen und was packe ich in meinen Rucksack.

 

Welche Texte von anderen AutorInnen haben dich und deine Schreibpraxis während deines Studiums beeinflusst?

Ich habe Bücher, mit denen ich Anlauf nehme, mit denen ich mich ins Schreiben schubse. Ich bereite alles vor, setze mich an den Tisch und beginne zu lesen. Nach kurzer Zeit lege ich das Buch weg und wechsle ins Schreiben. Ein solches Buch ist zum Beispiel “Und ich schüttelte einen Liebling” von Friedericke Mayröcker. Wenn ich an andere AutorInnen denke, denke ich auch an meine Mitstudierenden. Ich denke an all die Sätze, die sie mit in die Ateliers gebracht haben. Ich denke daran wie aus manchen Sätzen ausufernden Textkonvolute wurden und andere fast unbeachtet wieder verschwanden. Es tut gut zu wissen, dass auch die anderen schreiben, dass wir alleine irgendwo an einem Tisch sitzen, doch an einem grossen Text schreiben, dem einzigen, den es gibt, dem einzigen, den es geben kann, und jede deckt von irgendwo her ein kleines Stück dieses Textes auf. 

 

Welche Perspektive hast du nach dem Studium am Literaturinstitut? Was möchtest du machen, hast du schon eine Idee?

Weiterschreiben, oder wie sagt man. Ich habe bereits eine abgeschlossene Ausbildung als Umweltingenieur, arbeite neben dem Studium in einem Teilpensum in diesem Bereich und werde dies auch nach Abschluss des Literaturinstitutes machen. Das Kartieren von Pflanzen und das Aufsuchen von Biberdämmen bereitet mir Freude und hilft mir finanziell über die Runden zu kommen. Ich werde dem Schreiben einen festen Platz einräumen und bin gespannt, was es da noch alles auszubrüten gibt.