Vom Onkel

Früher, wenn der Onkel Indianerschmuck und Piratenschwerter gebastelt hatte, waren sie wie drei Kinder, hier im Garten, den ganzen Sommer lang. Jetzt pfeift der Onkel aus allen Löchern, obwohl er erst 52 ist, und Nichte und Neffe haben kurzerhand beschlossen, in das weiße Haus mit den blauen Läden zu ziehen. Eine WG in der Bretagne, am Ende der Welt. Der Onkel badet nie, mit der Metallplatte in seiner Hüfte schafft er es nicht mehr über die Felsen ans Meer. Höchstens fährt er mit dem Roller zum Supermarkt, wo es Wurst und Cola gibt. Aber am liebsten bleibt er in seinem Zimmer – Betreten verboten! – und schaut fern, auch wenn die Antenne vom Dach gekommen ist. Während der Bruder sich die meiste Zeit den Blattläusen an den vier frisch gepflanzten Obstbäumen widmet, beginnt die Schwester, den Onkel zu umkreisen, erkundet seine in dreißig Jahren Alleinleben entwickelten Eigenarten. Nach und nach breitet sich eine etwas ungemütliche Familienlandschaft aus, in der ein Wohnblock in einem Pariser Vorort und ein Haus am Hang in der Schweiz geographische Fixpunkte sind und wo einen Bruder zu haben ein einziger Segen war. Ein flimmerndes, vielschichtiges, berührendes Debüt, das mit originellen Figuren besticht und durch seinen rhythmischen erzählerischen Atem einen starken Sog auslöst.

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